Kosice, die slowakische Großstadt, war für mich ein besonderes Erlebnis.
Es begann schon etwas zweifelhaft: Obwohl ich noch bei Tageslicht und in über dreißig Kilometern Entfernung (!) damit begonnen hatte, wegen eines Nachtlagers nach einer Kirche und einem Pfarrer Ausschau zu halten, musste ich noch bis um 22:00 Uhr und bis in die Stadt hineinwandern, ehe ich damit beginnen konnte, mich zur Ruhe zu betten. Und das nicht etwa in einem sauberen, warmen Pfarrhaus und kostenlos – nein, ich musste 25,50 Euro meines kostbaren “Notgelds” aus Kezmarok investieren – und fand mich in einer kalten, verrauchten Bude des Sporthotels wieder, mit “Trickle-Down-Economy-Dusche” und einem eher bescheidenen Frühstück. Zu allem Überfluss stand ich dann morgens im Frühstücksraum – und der Bon, den ich vorlegen sollte, war nicht mehr in meiner Brusttasche! Dabei war ich mir doch ganz sicher…?!? Schnell zurück ins Zimmer: das andere Hemd gecheckt, die Hose, den Tisch, den Boden, das Badezimmer: NICHTS!
Ich beschloss, mich in meinen Ärger hinein zu entspannen, und ging wieder in den Saal zurück. Und dort empfing mich eine Angestellte mit dem vorhin heruntergefallenen Bon…
Nach dem Frühstück schüpfte ich wieder Hoffnung: Heute würde ich, so Gott will, endlich meine kirchlichen Empfehlungsschreiben und meinen Pilgerpass in Händen halten! Ich suchte mir also den Weg zur Hauptpost und reihte mich in eine der Schlangen an den Schaltern ein.
Dass ich bei der Auswahl der Schlange Glück gehabt hätte, kann man nicht sagen: Ich musste über 20 Minuten warten, bis ich mein Anliegen vorbringen konnte – besser gesagt: es vorzubringen versuchen durfte… Die Dame am Schalter konnte sowenig Deutsch, Englisch oder Französisch, wie ich Slowakisch. Wir bemühten vergeblich den Translator auf dem Handy, und irgendwann bedeutete mir die nette Dame, sie könne nun nichts mehr für mich tun.
Da wurde ich etwas deutlicher und wollte wissen, ob es denn im ganzen Postamt niemanden gebe, der Deutsch oder Englisch spreche?!?
Daraufhin ging die Hochleistungspostlerin zwei Schalter weiter und kam mit einer schwarzhaarigen, mit knallrotem Lippenstift und auch sonst viel Schminke aufgedonnerten Kollegin zurück. Es folgten noch einmal einige Minuten der Verhandlung, in denen ich zwar erfuhr, dass man UNBEDINGT bei Sendungen an die Adresse des Postamts ein Postfach eröffnen und dann am Schalter den dazugehörigen gelben Zettel vorlegen müsse, aber nicht in Erfahrung bringen konnte, was denn mit Briefen passiert, bei denen das Undenkbare Realität geworden ist, indem sie NUR an das Postamt, nicht aber an ein Postfach adressiert sind.
Tief frustriert musste ich feststellen: Bei diesen beiden “Servicekräften” war für mich nichts zu holen – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Und da es mir auch nicht gelang, unter den Kunden jemanden zu finden, der Deutsch sprach, musste ich unverrichteter Dinge wieder losziehen.
Denkbar schlecht gelaunt setzte ich in südöstlicher Richtung einen Fuß vor den anderen. War es sinnvoll, noch einen Tag in der Stadt zu bleiben und noch einmal beim Postamt vorzusprechen? Wohl kaum. Also: Weiterwandern?! Irgendetwas gefiel mir an dieser Vorstellung nicht (obwohl ich Jerusalem möglichst schnell näher kommen wollte): Ich hatte das sehr bestimmte Gefühl, dass die Schriftstücke auf dem Postamt lägen und ich die verfahrene Situation irgendwie umbiegen müsse.
Ich kehrte spontan um. Ich würde versuchen,einen Schlafplatz bei einer der Kirchen zu bekommen – und ich würde fragen, ob einer der Kirchenmenschen beim Postamt anzurufen und sich für mich und meine Briefe einzusetzen bereit wäre.
An der ersten Kirche, der Kathedrale der Dominikaner, hatte ich kein Glück: Ich wartete, bis die Mittagsmesse vorbei war. Das dauerte nicht mehr lange, danach verschwanden die Patres aber gleich in den Beichtstühlen. Als sie wieder herauskamen, konnte ich einen von ihnen ansprechen. Doch nach wenigen Sätzen signalisierte der, jetzt keine Zeit mehr zu haben…Ich holte tief Luft, schenkte den bettelnden Zigeunerkindern, die mich noch in der Kirche ansprachen, zwei Euro und ging in Richtung des Doms St. Elisabeth.
Dort angekommen, fand sich leider niemand, den ich hätte ansprechen können. So schaute ich mich im Umfeld der Kirche um – und entdeckte den Sitz des Erzbischofs.
Kurz entschlossen trat ich ein und brachte an der Pförtnerloge meine Anliegen vor. Nach einigen mühsamen Sätzen forderte der Pförtner sprachkundige Verstärkung an: Eine große, schlanke, junge Caritas-Mitarbeiterin erschien an der Glastür, hörte sich meine Leidensgeschichte auf Englisch an – und bei der anschließenden Diskussion stellte sich heraus, dass sie ebensogut Deutsch konnte.
Sie nahm mich mit in die von der Caritas genutzten Räumlichkeiten, kochte mir Kaffee und Tee und begann, zu telefonieren.
Der Anruf aus dem Erzbischofssitz brachte anscheinend eine vorher nicht gekannte Dynamik ins Postamt: Nach wenigen Minuten teilte mir die schöne Caritesse mit, dass die Briefe gefunden wären und ich sie am Schalter 16 abholen könne!
Nur die Sache mit der Übernachtungsstelle – die zog sich hin… Bei Tee und Keksen und viel Reden und Lachen (es waren noch zwei Kolleginnen im Raum, die kaum minder charmant als meine Übersetzerin waren) konnte man das aber gut zu ertragen. Ich ging zwischendrin meine Briefe holen, und das Ende vom Lied war, dass mich Suzanne – so der Name der Überstzerin – zum Haus der Caritas begleitete. Dort händigte sie mir, quasi als Sahnehäubchen auf den geretteten Tag, noch einen Umschlag mit 28 Euro aus: Sie und ihre beiden Kolleginnen hatten zusammengelegt für mich!!!
Fazit: Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her!