Zweitfrau für 100.000 gefällig?

Fotos: https://goo.gl/photos/ew2JUz5jTACmzvPc6

Am Mittwoch, den 1.3. bin ich unterwegs von Davutoglan, zunächst in Richtung Ankara, fast komplett nach Osten, dann verlasse ich die Autostraße und biege in Richtung Süden ab auf einen Feldweg – ich habe den Ort Tacettin ins Auge gefasst. Hier in der “Wüste” sehe ich mich genötigt, doch ein wenig vorauszuschauen: Zwischen Nallihan und Davutoglan lagen etwa 25 Kilometer ohne jede Ortschaft. Da kann man als Wanderer schon in Schwierigkeiten kommen.

Nach etwa einem Kilometer auf dem Erdweg kann ich aus der Nähe in Augenschein nehmen, was ich am Vortag mehrmals von weitem beobachtet habe: An einem vergleichsweise kleinen Feld stehen ein Lastwagen und ein kleiner Bus, und auf dem Feld arbeiten fast dreißig Leute. Aus gelöcherten Styroporpaletten setzen sie Pflänzchen in den Boden – ist das wirklich Salat, was sie hier ausbringen?

Man begrüßt mich, als ich näher komme, und als klar wird, dass ich kein Türkisch kann, ruft man eine Frau heran, deren Gesicht bis auf die Augen mit einem deutlich benutzten Pali-Tuch bedeckt ist. Sie spricht ein gutes Englisch (soweit ich das beurteilen kann…), und es stellt sich heraus, dass sie aus Syrien ist. Es herrscht schnell eine allgemeine Verwunderung: Darüber, dass ich hier in Richtung “Niemandsland” wandere, anstatt nach Ankara; dass ich nach “Kudüs” will; erst Recht darüber, dass ich aus Deutschland zu Fuß hergekommen bin; und schließlich ist man erstaunt, dass ich mit dem Gedanken spiele, nach Syrien zu gehen.

Die mit der Kufiya Verschleierte ruft jetzt noch eine Kollegin heran. Deren Englisch ist fast noch etwas besser. Und freundlicherweise nennt sie mich nicht, wie die erste es tut, ständig “my unkle”… Sie hat ihr ausgesprochen schönes Gesicht nicht verhüllt, und sie macht keinen Heel daraus, dass sie sich hier nicht am richtigen Platz sieht.

Wir tauschen aus, wer wir sind und in welchen Verhältnissen wir leben: Sie wohnt mit ihrer Mutter und ihrem Bruder seit zwei Jahren hier, erfährt, dass ich meine Familie in Deutschland habe und kann die Gründe für meine Hadsch nur sehr bedingt nachvollziehen – ich habe im schönen, reichen Deutschland doch alles, was das Herz begehren kann!? Dann möchte sie mich zur Mitarbeit auf dem Feld bewegen. Dass das Wandern derzeit meine Arbeit ist, leuchtet ihr aber ein. Dann schlägt sie vor: Wenn ich ihr – hier macht sie etwa eine Sekunde lang eine Denkpause – hunderttausend gebe, kommt sie mit mir mit…Sie lässt offen, ob das Dollar sein müssten oder gar Euro, oder ob sie mit 100.000 türkischen Lira zufrieden wäre.

In der Gesprächsphase, in der wir uns verabschieden, aber noch dies und das zu besprechen haben, fragt sie mehrmals nach, ob ich noch irgendetwas brauche (nein; abgesehen von zwei, drei Bechern Wasser aus dem Kanister neben dem Lastwagen). Einer der dabeistehenden jungen Männer belehrt mich, dass ich auf diese Frage doch niemals mit nein antworten dürfe…Zum Schluss fordert sie mich auf, sie in Ankara besuchen. 

Als ich frage, ob ich Fotos machen dürfe, protestiert die Verschleierte heftig: Ihr Mann! Sie lässt offen, was es für sie bedeuten würde, wenn ihr Gatte “davon” erführe – oder setzt voraus, dass es jeder weiß.

Erst, als ich mehrere Kilometer weiter weg bin, fällt mir auf, dass ja nur sie sich gegen das Fotografieren verwahrt hat, aber nicht ihre junge, schöne, unverschleierte Kollegin… Schade! 

Schade auch deshalb, weil man junge Frauen hierzulande fast gar nicht zu Gesicht bekommt: Sie werden sorgfältigst vor aller Welt und allen Blicken versteckt. Da muss man schon sehr weit laufen, um an die nächste Augenweide zu kommen…

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