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Nun sitze ich am Sonntag, den 12. Februar in einem türkischen Teehaus und mache den Versuch, endlich einmal wieder etwas zu schreiben, das man veröffentlichen könnte. Hier läuft gerade ein Fußballspiel mit Galatasaray im Hintergrund, und ich habe mich etwas verausgabt mit den Versuchen, mich auf Türkisch verständlich zu machen. Ständig will hier hier jemand was von mir, ohne dass ich es wirklich erfüllen kann. Aber ich bin für diese Nacht Gast hier im Teehaus (noch keine Ahnung, wo ich da schlafen werde…), und so muss ich irgendwie die Zeit überbrücken, bis das Kaffee schließt. Und bloggen wollte ich ja schon lange mal wieder.
Es sieht so aus, als hätte ich heute zum zweiten Mal Erfolg bei dem Versuch, die türkische Gastfreundschaft kennenzulernen. Gestern habe ich in einem Dorf, Gümüspinar, einen Berufskraftfahrer kennengelernt, der tatsächlich gut Deutsch konnte. Er hat meine Bitte um Gastfreundschaft erhört. Geschlafen habe ich in einer winzigen, kalten Feuerwache. Die beiden Tage davor habe ich jeweils lange vergeblich gesucht, um schließlich totmüde in ein Hotelbett zu sinken. Auf diese Weise schmilzt mein slowakisches Notgeld natürlich zusammen – auch wenn die Übernachtungen sehr günstig waren.
Der Mann neben mir ist wohl ein Araber (nicht nur, dass er so aussieht – ein anderer hat ihn mir auch so vorgestellt). Er klopft ständig mit dem Handy auf den Tisch, ruckelt an der Platte und schreit viel herum. An ein Konzentrieren ist nicht zu denken. Es ist wie bei einem ADHS-Kind… Ich weiß nur nicht, was er von mir will.
Endlich ist das Spiel aus. Galatasaray hat verloren – nach einer packenden Schlussphase. Nun sitze ich hier mit den zwei oder drei komischsten Vögeln des Lokals. Die Verständigung ist entsprechend… Aber ich habe es warm, und meistens habe ich auch Tee. Die Araber sind weg. Man muss feststellen: Ich habe nicht gerade Ruhe in mir! Es ist eine Herausforderung.
Es ist Montag, der 13.2.2017, 9:05 Ortszeit. Ich bin immer noch im Teehaus von gestern Abend. Geschlafen habe ich auf eine Doppelreihe zusammengestellter Stühle, mit Isomatte und Schlafsack. Gewaschen habe ich mich und meine Kleider im Waschbecken der öffentlichen Toilette nebenan (ging erstaunlich gut…). Es gab Frühstück (Tee und Brötchen mit ohne was drauf…), und als ich loslaufen wollte, hat gerade wieder ein hässlicher Schneeregenschauer eingesetzt – die Hügel ringsum sind verschneit. Und ich hatte gedacht, jetzt ins Warme zu kommen und habe den winzigen Schneeschauer, in den ich vor drei Tagen geraten war, für den allerletzten gehalten, den ich in diesem Frühjahr erleben würde… Ich habe die Anregung des sehr jungen Wirts, noch etwas zu verweilen, gerne aufgegriffen.
Wir konnten uns bislang nicht sehr ausführlich über Politik austauschen: Er muss sein Teehaus am Laufen halten, und der Google Translator ist sehr mühsam zu bedienen und zu interpretieren. Eins ist aber doch deutlich geworden: Mein heutiger Gastgeber hält nichts von den Plänen Erdogans, ein Präsidialsystem einzuführen (am Ostersonntag ist hier ein Referendum über eine entsprechende Verfassungsänderung). Er sagt, die Türken wollen die Verfassungsänderung nicht. Das war am Vortag anders gewesen: Der Fernfahrer (51 Jahre alt, kerngesund, aber Rentner aufgrund eines Gestzes, das die Verrentung nach 25 Arbeitsjahren erlaubte – in den Teehäusern gibt es viele von diesem Gesetz “betroffene”) hatte gesagt, das Präsidialsystem müsse kommen, das parlamentarische System sei nicht gut für die Türkei. Wohlgemerkt: Er ist ein Mensch, der Jahrzehnte in Deutschland verbracht hat (sein deutscher Führerschein ist von 1988) und vergleichsweise “deutsch denkt und fühlt”. Er erläuterte seine Haltung etwa folgendermaßen: Alle könnten hier im Teehaus zusammensitzen, Türken, Zigeuner, Kurden. Sie seien aber EINE Nation mit EINER Fahne und EINER Hymne…
Was der Kurde in Kirklareli vom Referendum hält, brauche ich wohl nicht zu erläutern.
Ich selbst wage eine erste Trendmeldung: Ich vermute einen Erdrutschsieg für Erdogan.
MAY GOD INCREASE YOUR PATIENCE!
Sehr lustige Beschreibung!!
Tja ja, Fußballspiele wecken eben das Kind in den Menschen.
Was das Referendum angeht, befürchte ich ähnlich Schlimmes – besonders, wenn die ganzen Deutsch-Türken abstimmen, die sich, ähnlich wie entsprechende in der Gesellschaft nicht mehr beheimatete Deutsche, nach dem “Erlöser” in Form eines “starken” Mannes sehnen.