Reich beschenkt durch die Erlebnisse der vergangenen Stunden, war ich am 11.Januar um kurz nach 8:00 Uhr auf der Straße. Ich fühlte mich zudem stark und leistungsfähig. Also ging ich gleich am Ortsausgang Borlas von der Straße ab. Es folgte ein sehr intensives Stück Pilgerweg mit Wechseln zwischen Feldweg, Wiese, Acker, Dorf und Wald. Ein Flüsschen konnte ich problemlos überqueren (immerhin waren die Teperaturen jetzt tagelang im zweistelligen Minusbereich gewesen), und die Hügel, die ich ständig hinauf und auf der Gegenseite wieder hinunter musste, verlangten mir einiges ab. Möglich war eine solche “Vorgehensweise” nur, weil die Sonne schien; im Trüben hätte ich schnell die Orientierung verloren.
Am Stadtrand von Salau wechselte ich dann wieder auf die Hauptstraße. Die folgenden Kilometer bis in die Innenstadt, durch Industrie-und Gewerbeansiedlung und begleitet von immer dichter werdendem Verkehr, habe ich als ausgesprochen hässliches Wegstück empfunden. Vom Stadtzentrum aus ging es dann in die Berge. Ich hatte schon früh gehofft, die serpentinen der Straße etwas abkürzen zu können. Das gelang schon im Randbereich Zalaus; und etwas weiter draußen fand sich dann ein Wanderweg, der äußerst sorgfältig mit einem M mit Querstrich im Mittelstück ausgezeichnet war – die Via Maria, wie sich noch herausstellte. Diesem Zeichen konnte ich nicht nur durch das Steilstück in die Berge folgen, sondern auch noch 15 Kilometer weiter bis zu dem Dorf Romanasi, in dem ich ein Quartier zu finden hoffte. Teilweise führte mich dieses Pilgerzeichen über Wege, die durch Fahrzeugspuren oder Schuhabdrücke gebahnt waren; ich musste mich aber auch über ungebahnte Strecken und durch ein größeres Windbruch-Gebiet bemühen.
In Romanasi “empfing” mich als erstes der Friedhof: Ich hatte den Eindruck völliger Anarchie. Alte und neue Gräber wild gemischt, Gebüsch, Gestrüpp und Untkraut allenthalben, und nur sehr “rustikal” zurechtgemachte Gräber. Eine wahre Wohltat, nach so vielen “Spießerfriedhöfen” zu sehen, dass es auch ganz anders geht!
Dann die Kirche: Es begann zu dämmern, und es begann das altbekannte Spiel: Wo ist das Pfarrhaus? Ich gind in das nahegelegene “Magazin Alimentar” und zeigte meinen Pilgerbrief vor. Man las, und wusste nicht so recht, wie es weitergehen sollte. Der Pfarrer wohnte nämlich in Salau… Man besprach sich, telefonierte, bot mir einen kleinen Tee aus dem Automaten an – und es zeigte sich, dass das schöne Schreiben meiner Pastorin oder aber meine Reise (wahrscheinlich beides) eine Art “Langzeit-Witzwirkung” entfaltete: Die Magazin-Besitzerin und die Kundin, die sich am intensivsten um eine Lösung meiner Quartierfrage bemühten, hatten immer mehr zu lachen. Am Schluss schienen sie sich kaum noch wiedereinzukriegen.
Dann kam ein Mann herein, der mich mit Handschlag begrüßte und mir kurz darauf anbot, mich zu “Werner”, einem Deutschen, zu bringen. Der wohnte im Haus direkt am Friedhof, war mit einer Rumänin verheiratet und hieß Michael. Werner war sein Nachnahme.
Dort wurde ich auf das herzlichste aufgenommen. Ich bekam ein reichliches Abendessen, und der weitere Abend ging bei Tee und Stollen dahin, während ich mich mit dem Hausherrn unterhielt. Geschlafen habe ich im Zimmer de mittleren Kindes, eines zehnjährigen Jungen. Der durfte in dieser Nacht bei der Mutter schlafen.
Am Morgen um kurz nach sieben, als ich in die Küche kam, bot mir die Dame des Hauses Kaffe, Tee und Brot an, dazu Auberginenmus und eine selbstgemachte Champignon-Kreation. Michael war unterwegs nach Zalau, die Kinder in die Schule bringen. Ich griff herzhaft zu; und als ich meinen Rucksack packen gegangen war, rief mich der zurückgekommene Familienvater wieder in die Küche: Er hatte frische Brötchen mitgebracht…
Nun, eines davon habe ich mir doch gern noch einverleibt. Und nachdem ich das sehr reichlich bemessene Proviant eingepackt hatte, ging es wieder auf den Weg nach Südosten. Weiter die Via Maria entlang.
Hab Dank, dass Du so fleißig berichtest – und auch noch lauter Erfreuliches!
Nie schlechter!
Herzlichst Martin