Dass man in Ostmitteleuropa den Anbruch der Dunkelheit nicht unbedingt mit einer gesteigerten Kommunikationsbereitschaft an der Haustüre verbindet, hatte ich ja bereits ausgiebig in Erfahrung gebracht. Die bisherigen Erlebnisse sind aber noch deutlich steigerungsfähig, wie meine heutigen Erlebnisse zeigen: Man könnte den Eindruck haben, es herrsche nach Einbruch der Nacht eine weitverbreitete Angst um Leib und Leben…
Nach 37 Kilometern Marsch durch klirrende Kälte – bei Gott sei Dank nachlassendem Wind – versuchte ich, einen evangelischen Pfarrer dazu zu bewegen, sein Arbeitszimmer, in dem er noch saß (17:45 Uhr) zu verlassen und mir die Tür zu öffnen. Eine Klingel fand sich am Gartenzaun nicht, und das Tor war sorgfältig verschlossen. Also versuchte ich es mit Klopfen am Blechbriefkasten, das war gut zu hören. Als das nicht gleich zum Erfolg führte, begann ich zusätzlich zu rufen. Jetzt stellte sich die Wirkung ein; aber nur zur Hälfte: Das Arbeitszimmer wurde dunkel, und fortan zeigte sich kein weiteres Lebenszeichen im vorderen Bereich des Pfarrhauses mehr.
Meine Versuche, in der benachbarten Lottoannahmestelle, auf der Straße und in den Nachbarhäusern Hilfe zu finden beim Versuch der Kontaktaufnahme mit dem Pfarrer scheiterten schon im Ansatz. Nun war guter Rat teuer: Ich stand vor einem von innen verschlossenen Pfarrhaus, der Pfarrer zuhause, die Temperaturen gut zweistellig unter Null, und wusste nicht weiter.
Schließlich nahten noch zwei Passanten, ein junger Mann und eine Frau. Sie zeigten sich aufgeschlossen für meinen Pilgerbrief, brachten mich zu einem Haus, in das ich, nach einigen Minuten vor der Tür, eintreten durfte und wo sich die beiden jungen Leute zusammen mit dem Vater der Frau um eine Lösung bemühten. Das schien nicht leicht zu sein. Ich konnte leider nicht verstehen, ob sie keinen der beiden (!) Pfarrer erreichten (es gab auch noch einen katholischen hier) oder ob diese es ablehnten, einen Pilger zu beherbergen. Jedenfalls hieß es plötzlich, ich solle mitkommen: Ein Auto stand vor der Tür, und ich wurde von einer netten jungen Frau und ihrem Kollegen – ins Obdachlosenasyl gefahren. Dort kam dann die Polizei zur Überprüfung meiner Personalien…
Gestern hatte sie ihre Aufgabe, fand ich, besser erledigt!