Bis ich in Glogau im Schlafsack lag, war es gegen 4:30. Um 7:30 Uhr kam jemand, um sich im Aufenthaltsraum einen Tee zu kochen. Danach konnte ich noch einmal etwas dösen, aber gegen 8 Uhr, 8:30 Uhr musste ich aufstehen. Piter, der bei der Arbeit in Deutschland deutsch sprechen gelernt hatte, spendierte mir aus seiner Tüte zwei Tassen löslichen Kaffee. Wir unterhielten uns ein wenig, darüber, dass er keine Arbeit hätte, sein Sohn Priester werde nächstes Jahr, und es hier im Obdachlosenheim gut sei, weil er hier nichts bezahlen müsse.
Einige Zeit, nachdem Piter gegangen war, kam ein Schrank von einem Mann herein, gekleidet in einen grünen Schutzanzug, derart, wie man sie aus dem Krankenhaus kennt. Jetzt zog er Gummihandschuhe an – als ob er, pardon!, Scheiße wegräumen müsse – und nahm meine Matratze mit (die übrigens eine glatte, abwaschbare Oberfläche hatte und ebenso wie das Laken blitzsauber war. Sollten wir uns solche Matratzen für unsere inkontinenten Pflegekinder zulegen?).
Aufbruch gegen 12:30. Es ging so einigermaßen mit meinen Füßen. Als ich nach etwa 25-30 km in einem Dorf mit drei Kirchen ankam, dachte ich: David, jetzt hast du gewonnen – hier geht nichts mehr schief mit der Quartiersuche! Der Pfarrer im ersten Pfarrhaus war orthodox. Er fragt durch die geschlossene Türe nach, wer draußen sei, und als ich erzählte, dass ich Pilger aus Deutschland bin, öffnete er die Tür und begrüßte mich sehr freundlich mit Handschlag. Genauso freundlich verwies er mich dann an den katholischen Kollegen weiter, als ich um ein Nachtlager bat. Der Katholik allerdings war nicht zuhause. Und von den Leuten, die in der Kirche beteten, wollte ich niemanden fragen. Ich zog weiter.
Irgendwann führte mich das Navi von der Straße nach Lubow weg. Gut, dachte ich: weniger Verkehr – weniger Stress.
Als sich dann aber die Kilometer hinzogen und keine in Benutzung befindliche Kirche mit Pfarrhaus mehr in Anblick kam, sah ich mich vor meinem geistigen Auge schon wieder mitten in der Nacht auf Wanderschaft durch die Gegend ziehen. Ich haderte ein wenig mit mir selbst: wäre ich doch im letzten “Dreikirchenort” etwas konsequenter gewesen! Irgendjemand hätte sich dann wohl doch meiner erbarmt. Und: Warum, um alles in der Welt, bin ich nicht weiter in Richtung Lubow gegangen?!? Dort hätte es für den Notfall sicher auch ein “shelter” gegeben. Ich Riesena…!
Ich spielte kurz mit dem Gedanken, eine am Straßenrand liegende Folie mitzunehmen oder sie wenigstens genauer anzuschauen, ob sie als Unterlage für die Isomatte taugen könnte oder gar als Notdecke gegen Regen oder Schnee…. Wie würde ich die nächsten zwölf Stunden rumkriegen und überleben???
Dann das nächste Dorf: sehr langgezogen, und schließlich: eine Kirche! Ich fand auf Nachfrage das Pfarrhaus und wurde freundlich eingelassen, obwohl es schon deutlich nach 20:00 Uhr war.
Was für eine Freude und Erleichterung!
Im Haus selbst war alles perfekt und sauber wie in einer Musterwohnung. Bestimmt gibt’s eine Haushälterin… Heute, am Abend vor dem 4. Advent, war der Pastor allein – bis sein 94jähriger Papa am Gehgerüst in die Küche kam.
Reichliches Abendessen rundete mein Glück ab. Die Unterhaltung mit dem Hausherrn hatte diesmal eine neue Komponente: ein Tabletcomputer übersetzte! Das allerdings noch sehr “ausbaubar”. Aber es reichte, um zB. auch eine theologische Diskussion über die Sakramente zu führen, in dessen Verlauf der katholische Priester feststellte, dass das sakramentale Geschehen in der Christengemeinschaft mit Rom übereinstimmt!
Nach der Zitterpartie auf dem Weg hierher nach Timmendorf/Tymowa habe ich die Gastfreundschaft dieses offenen, freundlichen Menschen ganz besonders genossen. Auf dem Schlafsofa im Kapellenraum nebenan konnte ich sehr schnell und gut einschlafen.
Einziger Wermutstropfen: Am nächsten Morgen war ich mit in der Messe in der, wie hier üblich, eiskalten Kirche – mit unliebsamen Folgen. Denn danach bin ich mit “tiefgekühlten” Beinen los gezogen – und das war für uns alle drei nicht gut (die Beine und mich!).